Der Wind zerrt an unseren Haaren und Kleidern auf Deck der Finnlines-Fähre. Wir stehen zusammengedrängt im Schutz der Fahrstuhlschächte und singen aus vollen Kehlen, dass die Saiten unserer Gitarre reißen, während über uns die Sterne und vor uns die Lichter Travemündes immer heller strahlen und uns das Ende unseres Abenteuers verkünden.

Hinter uns liegen zwei Wochen Großfahrt in Finnland. 29 Pfadfinder*innen aus vier sächsischen Stämmen sind am 01. September zusammen in Leipzig aufgebrochen, um über Helsinki und Savonlinna nach Oravi zu reisen, von wo aus wir in fünf Kleingruppen den Nationalpark „Linnansaari“ zwölf Tage lang mit Kajaks befahren und erlebt haben.

Soweit die Fakten.

Aber hier fängt die Fahrt doch eigentlich erst an und wer selbst noch nicht auf Fahrt war, wird sich kaum ein Bild davon machen können, was wir erlebt und wie wir es erlebt haben: Wir sind gepaddelt. Über Seen, die so spiegelglatt waren, dass wir uns fragen mussten, ob wir selbst wohl real oder Spiegelbild seien. Gegen schäumende Wellen, die uns empor hoben, nur um uns im nächsten Augenblick zu überspülen und gegen den Wind, der uns dem kommenden Herbst entgegen schleuderte, unsere Finger starr und unsere Schultern sauer machte. Wir haben Lager aufgeschlagen, wo es uns gefiel, Zelte errichtet, Hängematten gespannt und Feuer gemacht, auf kargen sonnenwarmen Felsen gesessen und auf Moos geräkelt. Wir haben uns an Blau- und Brombeeren die Bäuche voll geschlagen und den Rest zu Marmelade gekocht, haben Fische gesehen und kennengelernt: Rotfedern, Rotaugen, Alande, Hechte, Barsche. Manche von ihnen haben wir gelernt zu fangen, auszunehmen und zuzubereiten. Wir haben Biber gesehen und ihre Bauten, Schneehühner, See- und Fischadler, Spechte, Süßwasserrobben, Dachse; himmlische Sonnenuntergänge und den gleißenden Vollmond, aber auch das Leuchten ferner Sterne am Himmel und Regenbögen, bei Tag und bei Nacht! Wir haben Schwestern- und Brüderschaft geschlossen und uns auch mal fürchterlich gestritten, haben andere Gruppen getroffen, mit ihnen gelagert und uns wieder von ihnen getrennt und manchmal war manchem auch langweilig. Wir haben Lieder gesungen und Chroniken geschrieben, Geschichten erzählt, Karten gespielt und Schokolade geteilt. Wir waren schwimmen und saunieren, wir haben uns an der finnischen Schriftsprache die Pupillen verdreht und für manche Insel kurzerhand neue Namen erfunden. Wir haben unsere Kleider gewaschen und repariert, wenn etwas kaputt gegangen ist. Wir haben gefroren und geschwitzt, uns verausgabt und gefaulenzt. Wir kamen in grüne Wälder und verließen farbenfrohe bunte. Wir haben ein fremdes Land, die Natur um uns herum und einander neu kennengelernt. Es war grandios, dabei haben wir doch eigentlich ganz einfach nur gelebt, nur für uns.

Wir waren auf Fahrt.

~ Jobbo

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